Um die in der Überschrift dieses Beitrags aufgeworfene Frage gleich zu Beginn eindeutig zu beantworten: Ja, er ist es. Es gibt viele gute und nicht nur rein betriebswirtschaftliche Gründe, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurück in die Büros zu holen. Zu welchem Anteil, hängt von Unternehmen zu Unternehmen ab. Zudem sollten Chefinnen und Chefs das nicht einfach so entscheiden und durchdrücken wollen. Das Beispiel der Deutschen Bank zeigt, wohin es führen kann, wenn die Kommunikation nicht funktioniert: Die Mitarbeitenden gehen auf die Barrikaden.
Tech-Firmen aus den USA setzen mit Macht auf die Rückkehr ins Büro
Umformulieren: Die Führung der Deutschen Bank forderte Anfang dieses Jahres per E-Mail eine verstärkte Präsenz im Büro ein. Nach einer langen Phase mit großzügigen Homeoffice-Regelungen wurden nun mindestens drei Bürotage pro Woche verpflichtend gemacht, für Führungskräfte sogar vier Tage Anwesenheit am Firmensitz. Daraufhin ging der Betriebsrat auf die Barrikaden, monatelange Diskussionen folgten, der Betriebsfrieden litt und leidet immer noch. Kürzlich wurde für Deutschland ein Kompromiss gefunden: Hierzulande können die Beschäftigten vorerst weiter von den bisherigen, großzügigen Homeoffice-Regeln profitieren.
Dabei ist das Vorgehen der Deutschen Bank kein Einzelfall. Besonders in den USA gibt es seit längerer Zeit eine Gegenbewegung zurück ins Büro. Führend dabei sind ausgerechnet jene Technologiekonzerne wie Google, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 als Erste an die Heimarbeitsplätze beorderten und sie dort auch mit moderner Ausrüstung sofort arbeitstauglich machten. Versandriese Amazon ist besonders radikal – und macht ab Januar kommenden Jahres ganz Schluss mit dem Homeoffice. Die Beschäftigten müssen dann wieder an allen fünf Werktagen ins Büro.
Repräsentative Umfrage zeigt die Stimmung: „Homeoffice oder ich kündige“
Auch wenn aus der Sicht mancher deutscher Arbeitgeber vieles für einen solchen Schritt spricht, sollte er gut durchdacht und noch sorgfältiger kommuniziert werden. Eine 100-prozentige Homeoffice-Quote, also eine Rückkehr in die „guten, alten Zeiten“, die eh vorbei sind, dürfte von den meisten Beschäftigten als Affront gewertet werden. Das zeigt auch eine im Mai dieses Jahres veröffentlichte Umfrage im Auftrag des Automobilzulieferers Continental: Knapp die Hälfte (47 Prozent) der Büroangestellten in Deutschland würde demnach kündigen, wenn ihr Arbeitgeber die Möglichkeit von Homeoffice oder mobilem Arbeiten vollständig abschaffen oder stark einschränken würde. Für die repräsentative Umfrage hat das Meinungsforschungsinstitut YouGov mehr als 2.000 Büroangestellte interviewt.
Der Widerstand resultiert aus den Gewohnheiten der letzten Jahre: Während der Pandemie haben viele Beschäftigte die Vorzüge flexibler Arbeitsmodelle schätzen gelernt und sind nun nicht mehr bereit, diese aufzugeben. Doch zugleich gibt es für eine verstärkte Anwesenheit im Büro viele gute Gründe.
Die Effizienz des gemeinsamen Arbeitens im Büro übertrifft die isolierte Arbeit im Homeoffice, da der direkte Austausch die Teams stärkt und innovative Ideen fördert. Präsenz im Büro ermöglicht spontane Interaktionen und fördert kreativen Austausch, der in virtuellen Umgebungen oft fehlt. Teams profitieren von direkter Kommunikation, was Entscheidungsprozesse beschleunigt und eine engere Zusammenarbeit ermöglicht. Darüber hinaus wird die Identifikation der Beschäftigten mit dem Unternehmen gestärkt, wenn sie mehrmals die Woche vor Ort beim Arbeitgeber sind.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Das Arbeiten im Büro stärkt nicht nur den Zusammenhalt der Belegschaft, sondern auch die lokale Wirtschaft, die durch Homeoffice stark gelitten hat. Das gilt für den Kiosk neben dem Büro, die Gaststätte mit Mittagstisch gegenüber oder auch die Reinigung, bei der nach Dienstschluss etwa noch schnell die dreckigen Hemden abgegeben und Tag drauf wieder abgeholt werden können.
Onboarding und Talentförderung über Distanz sind kaum möglich
Ein weiterer unschlagbarer Vorteil des Arbeitens im Team vor Ort ist das Employer Branding. Alle, die während der Corona-Zeit ein Onboarding aus der virtuellen Ferne erlebt haben, wissen, wovon die Rede ist. Eine Unternehmenskultur kann im Homeoffice nur schwer vermittelt werden. Daher sollten Chefs, aber auch Berufseinsteiger oder Jobwechsler im eigenen Interesse darauf achten, dass sie in der Startzeit so viele Tage wie möglich vor Ort im Büro verbringen. Nur so kann man eins werden mit einem Unternehmen und seinem Spirit. Die Rückkehr ins Office erleichtert es zudem, Talente gezielt zu fördern und weiterzuentwickeln, da Mentoring und Networking dort viel effektiver sind als im digitalen Raum.
Bleibt die Frage: Wie stelle ich es als Chefin oder Chef an, meine Mitarbeitenden davon zu überzeugen, wieder mehr Zeit in der Firma zu verbringen? Auf keinen Fall mit zu viel Druck, Zwangsmaßnahmen oder Drohungen. Schenken Sie vor allem Vertrauen: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kehren motivierter zurück, wenn sie wissen, dass es Ihnen nicht um Kontrolle geht. Zwingen Sie niemanden ins Büro. Bieten Sie weiterhin die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten, wenn es sinnvoll ist, und schaffen Sie flexible Arbeitsbedingungen. Am besten ist es, wenn Sie gute Gründe organisieren, die Ihre Mitarbeitenden wieder freiwillig zurückbringen: attraktive Arbeitsplatzgestaltung, Pausen-Spaziergänge oder Stretching-Übungen auch im Büro, Teamevents und Get-togethers vor Ort.