Regulierung

„Der AI Act könnte viele Mittelständler abschrecken“

Seit Inkrafttreten des EU AI Acts berät Merantix Momentum kleinere und mittlere Firmen zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz. CEO Nicole Büttner erklärt, in welchen Bereichen die größten Unsicherheiten herrschen, warum Großunternehmen im Vorteil sind und welche Tipps sie für Unternehmen hat.

Inkrafttreten des EU AI Acts

23.10.2024

Nicole Büttner

Nicole Büttner

ist Gründerin von Merantix Momentum und Mitglied der Geschäftsleitung des Mutterkonzerns Merantix

DUP UNTERNEHMER-Magazin: Wie reagieren Ihre Kunden bisher auf den AI Act?

Nicole Büttner: Die Verabschiedung des EU AI Acts hat für viel Aufsehen gesorgt. Doch anstatt darüber zu sprechen, wie Künstliche Intelligenz die drängenden Herausforderungen unserer Wirtschaft lösen kann, beschäftigen wir uns mit hypothetischen Risiken, die in der Praxis kaum eine Rolle spielen. Unternehmen aus allen Branchen fragen uns, was der AI Act für sie bedeutet und wie sie sich vorbereiten sollten. Unsere Experten helfen Firmen mit einem ganzheitlichen Maßnahmenpaket: von Trainings zum AI Act über die Risikoklassifizierung von KI-Systemen bis hin zur Implementierung einer effizienten KI-Governance.

Können alle mittelständischen Unternehmen durch den AI Act gezwungen werden, sich mit Künstlicher Intelligenz auseinanderzusetzen?

Büttner: Das scheint mir dann doch etwas an den Haaren herbeigezogen. Wenn das Ziel ist, mittelständische Unternehmen zu aktivieren und KI umzusetzen, ist die Regulierung, glaube ich, nicht das effektivste Instrument. Sie legt den Fokus ja eher auf Risiken als auf Chancen. Meine Sorge ist vielmehr, dass viele KMU sich durch den AI Act abschrecken lassen und nicht in KI investieren, um den technischen und regulatori- schen Hürden aus dem Weg zu gehen. Damit bleibt KI für sie eine Blackbox – ein Vorteil für Großunternehmen, die diese Herausforderungen mit ihren Ressourcen viel leichter bewältigen können.

Wie unterstützen Sie Unternehmen, die Angst vor Strafen haben?

Büttner: Zuerst prüfen wir gemeinsam mit dem Unternehmen, ob die Bedenken wirklich gerechtfertigt sind. Wir analysieren die eingesetzten und geplanten KI-Systeme und klassifizieren deren Risiken gemäß dem AI Act. Auf dieser Basis leiten wir konkrete Compliance-Anforderungen und mögliche Konsequenzen ab. Unser Fokus liegt darauf, dem Kunden klare Hand- lungsempfehlungen zu geben.

Wie lauten Ihre konkreten Tipps für Unternehmen?

Büttner: Als ersten Schritt empfehlen wir, alle KI- Projekte und -Systeme zu erfassen und gemäß den Risikokategorien des EU AI Acts zu bewerten. Diese Transparenz verringert Unsicherheit und hilft, den regulatorischen Aufwand besser abzuschätzen. Gerade bei Anwendungen im Hochrisiko-Bereich ist es entscheidend, frühzeitig bereits bekannte regulato- rische Vorgaben in den Entscheidungs- und Entwicklungsprozess zu integrieren. Wir sehen hier schon in der Praxis, wie diese Vorgaben Design-Entscheidungen im Entwicklungsprozess von KI-Systemen beeinflussen. Zudem raten wir, klare Verantwortlichkeiten für den Umgang mit dem AI Act zu definieren und sicherzustellen, dass relevante Teams gezielte Schu- lungen erhalten. Auch auf technischer Ebene raten wir zu kontinuierlicher Transparenz – regelmäßiges Testen und gründliches Dokumentieren der KI-Systeme sorgen für Sicherheit im Unternehmen und bilden die Grundlage zur Einhaltung möglicher Vorschriften.